Beschlussübersicht der Delegiertenversammlung
Hausarztpraxen sind unverzichtbarer Teil eines patientenorientierten und krisenfesten Gesundheitswesens, um besonderen Lagen und Herausforderungen wirkungsvoll und zur Sicherung des Allgemeinwohles zu begegnen. Sie müssen personell und finanziell für diese Aufgaben ausgestattet werden.
Die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes betont die zwingende politische Notwendigkeit, die wohnortnahe hausärztliche Versorgung in personeller und finanzieller Hinsicht als unverzichtbaren Teil eines patientenorientierten und krisenfesten Gesundheitswesens sicherzustellen und hinsichtlich der universitären Ausbildungskapazitäten und -inhalte sowie der hausärztlichen Nachwuchsförderung eine vollumfängliche Erfüllung des in der Bedarfsplanung vorgegebenen Bedarfs unter Berücksichtigung dieser Anforderungen zu gewährleisten.
Diese Notwendigkeit wird durch die Lehren aus der Pandemie deutlich sowie die Anforderung an den Schutz vulnerabler Gruppen durch die bereits eingetretenen und abhängig von der Klima-Krise sich entwickelnden Anforderungen an Adaptation wie vorrangig bei Hitzewellen, wie die Bundesregierung im 2. Fortschrittsbericht der Deutschen Anpassungsstrategie 2020 festgestellt hat und ebenfalls von der 93. Gesundheitsministerkonferenz der Länder im September 2020 als Handlungsbedarf festgestellt wurde.
Corona-Prämie für alle Mitarbeiter in Hausarztpraxen
Die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes fordert Politik und Gesellschaft auf, die Corona Prämie analog der gesetzlichen Prämienzahlungen in der Pflege endlich auch für die Mitarbeitenden in den Hausarztpraxen zu zahlen.
Zuverlässige Belieferung der Hausarztpraxen mit allen zugelassenen Impfstoffen
Die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes fordert die Bundesregierung und die Landesregierungen auf, eine zuverlässige, kontinuierliche, ausreichende und planbare Belieferung der Hausarztpraxen mit allen zugelassenen Corona-Impfstoffen zu gewährleisten. Ziel muss sein, dass die Liefermengen, die durch die Hausarztpraxen bestellt werden, gewährleistet sind. Die bisherige Strategie, dass der Impfstoff bis zur Kapazitätsgrenze an die Impfzentren geliefert wird und lediglich der darüberhinausgehende Rest an die Praxen geht, muss umgehend korrigiert werden.
Corona-Impfungen mit obligater Beratungsziffer
Die Bundesregierung wird aufgefordert, die in der Corona-Impfverordnung festgelegte Vergütung für die Erst- und Zweitimpfungen von jeweils 20 EUR um eine im Zusammenhang mit der Durchführung der Impfung am gleichen Tag abrechenbare Ziffer für die Impfberatung für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zu ergänzen, um den durch die infolge der desaströsen Kommunikation zum Thema Impfstoffe entstehenden Organisations- und Beratungsaufwand vor allem in den Hausarztpraxen weitgehend abzudecken. Alternativ ist der Ausschluss der Abrechenbarkeit der GOP 88322, wenn zu einem späteren Zeitpunkt die Impfung erfolgt, aufzuheben.
Impfstoffdosen
Der Bund und die Länder werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, sämtliche Prozesse rund um die Covid-19-Schutzimpfung in den Hausarztpraxen wie umfangreiche Aufklärung auf Papier, Dokumentation, Abrechnungssuffixe für einzelne Impfstoffe etc. zu entbürokratisieren, zu vereinfachen und, sofern möglich, zu digitalisieren.
Ziel muss es sein, die Corona-Schutzimpfungen zeitnah in die reguläre Impfroutine der hausärztlichen Praxen zu überführen (bspw. gesamte Dokumentation zur Impfung im PVS).
Immunitätsausweis
Die Bundesregierung wird aufgefordert, sofern der digitale europäische Immunitätsausweis tatsächlich in Deutschland auf den Weg gebracht werden sollte, diesen für alle Bürgerinnen und Bürger barrierefrei auszugestalten. Sollte dies nicht möglich sein, ist dieses Vorhaben umgehend zu beenden. Ferner darf die Einführung und Umsetzung des Immunitätsnachweises in keinster Weise mit zusätzlichem bürokratischem Aufwand für die Hausarztpraxen verbunden sein. Er muss daher komplett unabhängig von der ambulanten Versorgung ausgestaltet werden. Der digitale Impfausweis bleibt hiervon unberührt.
Arbeitsgruppe Digitalstrategie einrichten
Der Vorstand des Deutschen Hausärzteverbandes wird aufgefordert, eine Arbeitsgruppe “Digitale Strategie” einzurichten. Die Arbeitsgruppe soll ein bundeseinheitliches Strategiekonzept zur Digitalisierung im Gesundheitswesen aus der Sicht der Hausärztinnen und Hausärzte erarbeiten. Sie soll dem Geschäftsführenden Vorstand berichten und zur nächsten DV ein schlüssiges Konzept vorlegen.
Digitalisierung muss zu Entbürokratisierung und Vereinfachung führen
Der Bundesgesetzgeber sowie die Gesellschafter der gematik werden aufgefordert, den regulativen und praktischen Rahmen der Digitalisierung in den Hausarztpraxen so zu gestalten, dass
- für die Hausärztinnen und Hausärzte konkrete Vereinfachungen im Praxisalltag, in der Versorgung der Patientinnen und Patienten, aber auch im Praxismanagement erlebbar werden,
- Technologien zum Einsatz kommen, die zukunftsgerichtet, skalierbar und sicher sind,
- eine angemessene Finanzierung der Investitions- und Betriebskosten für die Digitalisierung erfolgt (inkl. z.B. Schulungsaufwände),
- Hausärztinnen und Hausärzte aufgrund konkreter Vorteile an der Digitalisierung partizipieren und nicht aufgrund von gesetzlichen Zwangsmaßnahmen, die umgehend zu beenden sind, und
- die Chancen der Digitalisierung genutzt werden, um bestehende analoge Versorgungs- und Verwaltungsprozesse kritisch zu hinterfragen und zu verschlanken (inkl. Verschlankung des regulativen Rahmens).
Dafür ist es notwendig, dass die hausärztliche Erfahrung und deren praxisnahe Anforderungen an die Digitalisierung eng in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden.
Medizinstudium endlich zukunftsfest machen – Reform der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) jetzt!
Bundesregierung und Bundesrat werden aufgefordert, die im Referentenentwurf der Verordnung zur Neuregelung der ärztlichen Ausbildung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), der eine geänderte Approbationsordnung für Ärztinnen und Ärzte enthält, umgehend und im Kern unverändert zu verabschieden und die Umsetzung umgehend und ohne Vorbehalte auf den Weg zu bringen.
Abrechnung von durch telemedizinische Anbieter vermittelten Arzt-Patienten-Kontakten
Die Delegiertenversammlung fordert, dass die Abrechnung von Patientenkontakten über Anbieter telemedizinischer Plattformen nach dem Bundesmantelvertrag-Ärzte § 21 Abs. 1 (analog Berufsausübungsgemeinschaft) zu erfolgen hat in dem Sinne, dass die Behandlung desselben Versicherten durch unterschiedliche ÄrztInnen derselben telemedizinischen Plattform in einem Kalendervierteljahr nicht zu einer erneuten Abrechnung der Fallpauschale führen darf.
Wir fordern den Gesetzgeber sowie die KBV und den GKV-SV auf, hier Regelungen festzulegen, um das virtuelle doctorhopping zu unterbinden.
Verwendung der ICD-11 in der Hausarztpraxis
Die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes fordert das BMG als Aufsichtsbehörde des BfArM auf, hinsichtlich der notwendigen Kodierung des Krankheitsgeschehens in Hausarztpraxen eine angemessene und vor allem praktikable Lösung zu entwerfen und hierbei eng mit der Hausärzteschaft zusammenzuarbeiten.
Eine akademisierte Ausbildung von Gesundheitsfachberufen (PA und akademisierte MFA) kann den Mangel an Studienplätzen für Hausärzte nicht kompensieren
Die hausärztliche Betreuung betrachtet den Patienten in Gänze. Jedwede Form einer Substitution ärztlichen Handelns durch nichtärztliche Berufe wird daher abgelehnt. Delegation unter ärztlicher Gesamtverantwortung trägt hingegen bewiesenermaßen dazu bei, die ärztliche Versorgungslast bei spezifischen und definierten Aufgabenstellungen zu reduzieren und den steigenden Bedarf an medizinischer Versorgung zu decken. Diese Delegation wird im hausärztlichen Bereich beispielgebend seit Jahren bereits erfolgreich praktiziert.
Eine Delegation an akademisierte Assistenzberufe (PA oder akademisierte MFA) muss zwingend folgende Kriterien erfüllen:
- Die Ausbildung darf nicht grundständig sein. Eine abgeschlossene Ausbildung als MFA sollte Voraussetzung sein.
- Es muss von ärztlicher Seite zuvor klar definiert werden, welche Leistungen rein ärztlich und welche delegationsfähig sind. Hierzu gehört auch eine eindeutige und aktuelle Definition des hausärztlichen Versorgungsauftrages im Bundesmantelvertrag.
- Eine Übertragung der so definierten ärztlichen Aufgaben auf die neuen Assistenzberufe ist auszuschließen.
Übernahme der im Positionspapier der DEGAM zu “Klimawandel und Gesundheit” beschriebenen hausärztlichen Handlungsfelder in die Agenda des Deutschen Hausärzteverbandes
In Umsetzung und Folge der Resolution “Klimawandel und Gesundheit” der Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes im September 2018 werden die von der DEGAM entwickelten und 2020 veröffentlichten Positionen und 5 Handlungsfelder im Themenbereich “Klimawandel und Gesundheit” in die Agenda des Deutschen Hausärzteverbandes übernommen und im fortlaufenden Verbandsgeschehen berücksichtigt.
Den Landesverbänden wird ebenfalls eine Orientierung daran empfohlen.
Die DEGAM orientiert sich an den Notwendigkeiten zum Handeln mit Bedeutung im und für den Gesundheitssektor und der Stellung der hausärztlichen Versorgung im Themenfeld “Klimawandel und Gesundheit” unter Anerkennung der Bedeutung des Erreichens einer maximalen Erderwärmung von 1,5 Grad C. nach dem Paris-Abkommen und empfiehlt folgende hausärztliche Handlungsfelder:
“Wissenserwerb in Aus-, Fort- und Weiterbildung: Hausärzt*innen sind aktuell nur ungenügend auf geänderte Beratungs-und Behandlungsanlässe in Hausarztpraxen vorbereitet. Die DEGAM sieht daher eine wichtige Aufgabe in der Wissensvermittlung bezüglich der Zusammenhänge von Klimawandel/- schutz und Gesundheit sowie den Auswirkungen auf die Primärversorgung in Deutschland.
Gesundheitsschutz: Im Rahmen des Klimawandels kommt es zunehmend zu Extremwetterereignissen und neuen oder in veränderten Mustern auftretenden Infektionserkrankungen. Besonders gefährdete Patientengruppen (z.B. geriatrische Patienten, Patienten mit Atemwegs- und Kreislauferkrankungen, Schwangere, Säuglinge, Kleinkinder und psychisch Kranke) müssen identifiziert und die patientenbezogene Versorgungsqualität in Bezug auf klimafolgenbedingte Erkrankungen verbessert werden.
Präventionsberatung: Hausarztpraxen können Beratungsanlässe in der Hausarztpraxis nutzen, um hinsichtlich eines gesunden Lebensstils und einer gleichzeitigen Reduktion von Treibhausgasen zu beraten, zum Beispiel im Bereich Mobilität und Ernährung.
Grüner Gesundheitssektor: Für die primärärztliche Versorgungsebene müssen Konzepte für ein nachhaltiges und resilientes Gesundheitswesen erarbeitet werden. Hier steht an erster Stelle die Stärkung dezentraler Versorgungsstrukturen, auch im Sinne ressourcenschonender Hausarztpraxen. Zudem strebt die DEGAM in ihrer Organisation und bei ihren Veranstaltungen Klimaneutralität an.
Advocacy: Hausärzt*innen können in ihrer beruflichen und gesellschaftlichen Funktion Einfluss auf die politischen Prozesse zu Klimaschutz und -anpassung nehmen und dabei insbesondere auf deren dringende gesundheitliche Notwendigkeit hinweisen. Hausärzt*innen können als Mitglieder ärztlicher Versorgungswerke darauf hinwirken, deren Beteiligungen an treibhausgasintensiven Anlagen zu beenden und eine Reinvestition z.B. in erneuerbare Energieträger zu erreichen (“Divestment”). Dieses Vorgehen entspricht dabei einer Linie, die international zunehmend von ärztlichen Organisationen, Wissenschaftler*innen und Universitäten vertreten wird.”
Suizidprävention fördern
Die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes fordert Politik und Gesellschaft auf, das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Suizidbeihilfe zum Anlass zu nehmen, der Suizidprävention in Deutschland einen deutlich größeren Stellenwert zu geben.
Suizidalität ist kein beständiger psychischer Zustand. Der Wunsch, sich das Leben zu nehmen, entwickle und verändere sich mit den Erfahrungen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Suizidgefährdete Menschen befinden sich meist in einem Zustand der Ambivalenz. Die Hausärzte sind hier häufig als erste gefordert.
Die DV fordert deshalb den Deutschen Bundestag auf, als erste Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
- kurzfristig eine umfassende Bestandsaufnahme der bestehenden Programme und Initiativen zur Suizidprävention in Deutschland in Auftrag zu geben,
- das psychosoziale Hilfesystem und das Gesundheitswesen personell und finanziell besser auszustatten, damit allen Betroffenen ein niederschwelliges, zielgruppengerechtes, menschlich und fachlich kompetentes Hilfsangebot gemacht werden kann,
- das ehrenamtliche, gesellschaftliche Engagement für die Suizidprävention nachhaltig zu fördern,
- durch geeignete Informations- und Aufklärungsangebote ein gesellschaftliches Klima zu fördern, in dem suizidale Menschen über ihre Situation sprechen und Hilfe in Anspruch nehmen können.
Die Delegiertenversammlung bittet zudem den Vorstand des Deutschen Hausärzteverbandes und das IHF, das Thema Suizidprävention im kommenden Jahr verstärkt in Fortbildungen aufzugreifen.
Beschäftigungsverbote in der Schwangerschaft
Die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes fordert das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) mit dem nach § 30 MuSchG gebildeten Ausschuss für Mutterschutz sowie die weiteren mitwirkenden Ministerien auf, eine zeitnahe Konkretisierung der Bestimmungen zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium unter besonderer Berücksichtigung von im Gesundheitswesen tätigen schwangeren oder stillenden Frauen herbeizuführen.
Weiterhin fordert die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes die Bundesärztekammer (bzw. die jeweilig zuständigen Ärztekammern der Länder) dazu auf, Best-Practice-Modelle zum Umgang mit der Gefährdungsbeurteilung für schwangere Ärztinnen in den Kliniken und Praxen zu sammeln und zu veröffentlichen.
Überarbeitung der Dachmarke und des Logos des Hausärzteverbandes
Die Delegiertenversammlung fordert, dass bei der aktuell stattfindenden Überarbeitung der Dachmarke und des Logos des Hausärzteverbandes die Perspektive der Hausärztinnen angemessene Berücksichtigung findet und eine zukunftsorientierte Lösung angestrebt wird, von der sich Hausärztinnen und Hausärzte gleichermaßen angesprochen fühlen.
Anpassung Notfalldatengesetz
Die KBV wird aufgefordert, den Inhalt der GOP 01640 (Anlage eines Notfalldatensatzes) dahingehend anzupassen, dass die Information “betreuender Hausarzt/ betreuende Hausärztin” als medizinisch notfallrelevante Informationen in den für die Abrechenbarkeit der GOP verpflichtenden Teil aufgenommen wird.