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Menschen mit HIVGutachten warnt vor Versorgungslücken

Hausärztinnen und -ärzte werden in den kommenden zehn Jahren noch wichtiger für Menschen mit HIV werden. Denn durch bessere Therapiemöglichkeiten und weniger Schwerpunktpraxen, könnten sich regional Versorgungslücken auftun, prognostiziert das IGES Institut.

Berlin. HIV-Schwerpunktpraxen stemmen überwiegend die gute Versorgung von Menschen mit HIV. Hausärztinnen und -ärzte spielen dabei eine zentrale Rolle. Das belegt ein Gutachten des IGES Institutes, das Mitte Juli (10.7.) in Berlin vorgestellt wurde. Etwa 68.500 der insgesamt 84.400 Frauen und Männer mit einer HIV-Diagnose haben demnach 2023 eine vertragsärztliche HIV-Schwerpunktversorgung erhalten. Rund 80 Prozent von ihnen wurden über eine hausärztliche und allgemeinmedizinische Praxis versorgt.

IGES-Geschäftsführer Dr. Martin Albrecht warnte zugleich vor erheblichen Engpässen in den kommenden Jahren. Aufgrund der Alterung der Betroffenen sowie der steigenden Zahl an Begleiterkrankungen sei damit zu rechnen, dass der Behandlungsbedarf deutlich wachsen werde. Bis 2035 könnten zudem bis zu 130 spezialisierte HIV-Ärzte und -Ärztinnen fehlen. „Das entspricht etwa 26 Prozent der benötigten Gesamtzahl an ärztlichen HIV-Spezialisten“, sagte Albrecht. Besonders in ländlichen Regionen würden damit in den nächsten Jahrzehnten massive Zugangsprobleme drohen.

Oft lange Klinikaufenthalte

Die Studie war von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärzt:innen für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä), der Deutschen AIDS-Stiftung (DAS) und der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG) in Auftrag gegeben und vom IGES Institut mit dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) durchgeführt worden. Die Analyse basiert auf vertragsärztlichen Abrechnungsdaten zur ambulanten HIV-Versorgung (2014 bis 2023), ergänzt durch Krankenhausberichte, Abrechnungsdaten zur stationären Versorgung sowie einer bundesweiten Online-Befragung von Menschen mit HIV.

Stationär waren 714 Fälle mit einer HIV-Erkrankung als Hauptdiagnose in 2023 behandelt worden. Bei etwa der Hälfte der Krankheitsbilder erwies sich die Behandlung als überaus komplex und brachte überdurchschnittlich lange Verweildauern mit sich. Bei vielen der Betroffenen war HIV erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert worden. Weitere 6.455 Fälle mit einer HIV-Krankheit als Nebendiagnose waren 2023 ebenso stationär behandelt worden. Insgesamt sind beide Fallzahlen aber seit 2014 um etwa 40 Prozent zurückgegangen.

Alternde Patientengruppe, mehr Begleiterkrankungen

Die Daten des Rückblicks legen nahe, dass Angebot und Bedarfe in der HIV-Versorgung künftig weiter auseinanderklaffen könnten. So hat sich zum einen die Zahl der Patientinnen und Patienten zwischen 2014 und 2023 um etwa 38 Prozent erhöht. Zum anderen ist die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in den HIV-Schwerpunktpraxen nur um 15 Prozent gestiegen.

Hinzukommt, dass die betroffenen Menschen älter geworden sind und mittlerweile auch unter komplexen Begleiterkrankungen leiden. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung treten bei HIV-Patientinnen und -Patienten häufiger chronische Infektionen, Stoffwechselstörungen und psychiatrische Erkrankungen auf. „Im Zuge der starken Alterung der Patientengruppe dürften sich diese Unterschiede weiter verstärken“, erwartet Albrecht.

DAS-Vorstandsvorsitzende Anne von Fallois verwies darauf, dass der Zugang zur spezialisierten Versorgung besonders für ältere Menschen mit HIV eine der größten Herausforderungen für die Zukunft darstellt.  Es drohe, so von Fallois weiter, dass es zu wenige Schwerpunktpraxen für immer mehr und immer ältere Betroffene geben werde: „Wir müssen dafür sorgen, dass der Zugang zur spezialisierten HIV-Versorgung auch in Zukunft sichergestellt ist. Unabhängig von Region, Alter, Geschlecht.“ Dagnä-Vorstandsmitglied PD Dr. Markus Bickel betont: „Mit den Ergebnissen des Gutachtens haben wir nun die Grundlage, um unsere Versorgung zukunftsfest zu machen.“

Regionale Unterschiede

Die meisten Patienten werden bislang in Berlin, Hamburg, Bremen sowie in Nordrhein in der ambulanten HIV-Schwerpunktversorgung betreut. Auch in der stationären Versorgung zeigen sich regionale Unterschiede: Während bundesweit auf eine Million Einwohner rund 60 Krankenhausfälle mit HIV als Nebendiagnose kamen, lag dieser Wert in Berlin knapp dreimal so hoch, in Thüringen und Sachsen-Anhalt hingegen nur gut halb so hoch.

Sollten sich die Neuinfektionen auf dem bisherigen Niveau halten, so die IGES-Experten, dürfte die Inanspruchnahme der vertragsärztlichen HIV-Schwerpunktversorgung bis 2035 auf etwa 44 Prozent gegenüber dem Jahr 2023 wachsen. Das Gutachten geht davon aus, dass die HIV-Prävalenz von 114,5 je 100.000 Versicherte im Jahr 2023 auf 151,5 im Jahr 2035 steigen werde. Dies bedeutet wiederum, dass dann zusätzlich rund 28.000 Menschen mit HIV in der vertragsärztlichen Versorgung betreut werden müssten.

Praxenzahl stagniert

Die Zahl der HIV-Schwerpunktpraxen aber stagniert seit Jahren. Grund dafür ist der Trend zur Bildung größerer Praxen oder Medizinischer Versorgungszentren (MVZ). Dies werde in den nächsten Jahren zu verdichteten Versorgungsstrukturen in den Ballungsräumen führen. Betroffene in den ländlichen Regionen müssten bereits jetzt weite Wege zur nächsten Schwerpunktpraxis oder HIV-Ambulanz auf sich nehmen.

Gezielte Anreize in den Förderprogrammen

Das Gutachten empfiehlt eine Reihe von Gegenmaßnahmen, um einem drohenden strukturellen Kollaps der HIV-Versorgung in Teilen Deutschlands entgegenzuwirken. Unter anderem sollten gezielte Anreize in den Förderprogrammen für allgemeinmedizinische und internistische Praxen gesetzt werden, um den ärztlichen Nachwuchs zur Teilnahme an der HIV-Versorgung zu motivieren.

Mithilfe von flexibel gestalteten Weiterbildungsbefugnissen könne zudem für mehr HIV-Schwerpunktpraxen gesorgt werden. Ärztinnen und Ärzte, die sich für die Teilnahme an der HIV-Schwerpunktversorgung qualifizieren möchten, gelte es, organisatorisch, fachlich und finanziell zu unterstützen. Sektorenübergreifende Kooperationsmodelle seien so zu gestalten, dass die fachlichen Anforderungen eben auch gemeinsam erworben werden können.

Telemedizin ausbauen

Weiter empfiehlt das Gutachten vermehrt „telemedizinische Verbundmodelle mit Konsiliarmöglichkeiten“ aufzubauen, um Versorgungslücken in der Fläche zu vermeiden. Auch sollte der Zugang zur Prävention gesichert werden, in dem die HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) auch für bislang unterversorgte Zielgruppen geöffnet werde. Speziell in strukturschwachen Regionen wären „ergänzende Transporthilfen“ sinnvoll, um weite Wege zu den Praxen bewältigen zu können. Empfohlen wird weiter, die geriatrische und psychosoziale Versorgung auszubauen und deren Vernetzungen mit den HIV-Praxen zu fördern.

Professor Dr. Hendrik Streeck, Drogenbeauftragter der Bundesregierung und DAS-Kuratoriumsvorsitzender, machte als Teilnehmer der anschließenden Diskussion deutlich, dass künftig nicht mehr Geld in Versorgung fließen werde. Der zentrale Schritt im Gesundheitssystem sei, so der CDU-Politiker, das „Primärarztsystem effektiver zu gestalten“.  Johannes Wagner, Gesundheitsexperte der Grünen, wiederum plädierte als Diskutant dafür, mehr in die generelle Sexualaufklärung zu investieren. Wagner: „Es geht darum, die Infektionskette so früh wie möglich zu unterbrechen.“

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