© Dr. Fritz Meyer Die 67-jährige Patientin des Fallbeispiels. Rechter Oberarmumfang mittig gemessen 49 cm; Handgelenkumfang am gleichen Arm 20 cm.
Das Problem unpassender Blutdruckmessmanschetten existiert vermutlich nicht nur in hausärztlichen Besuchstaschen, sondern auch in vielen Arztpraxen oder Ambulanzen.
Manschette als Fehlerquelle
Der Manschettendruck wird durch das Weichteilgewebe des Oberarms auf die Arteria brachialis weitergeleitet. Der Oberarmumfang sowie die Maße des verwendeten pneumatischen Systems bei der Messung nach Riva-Rocci/Korotkoff sind dabei eng miteinander verknüpft.
Daher werden national und weltweit breitere bzw. schmalere Manschetten für Patientenarme empfohlen, deren Umfang weniger als 22 cm oder mehr als 32 cm beträgt. Ist die Manschette zu schmal für den relativ zu dicken Oberarm (“Undercuffing”), fällt der ermittelte Blutdruckwert fälschlicherweise zu hoch aus.
Im umgekehrten Fall bei einem relativ zu dünnen Oberarm (“Overcuffing”) wird das Blutdruckniveau unterschätzt. Beides kann zu folgenreichern Fehlern in der Therapie führen.
Was tun?
Um Patientinnen und Patienten mit einem für die Standardmanschette ungeeigneten Oberarmumfang zu erkennen, hat sich bei der klassischen Praxismessung mittels Stethoskop und Sphygmomanometer eine handelsübliche, kalibrierte Standardmanschette bewährt. Diese Manschette ist lediglich mit zwei Orientierungslinien für die Ober- und Untergrenze des zulässigen Umfangmaßes versehen.
So lässt sich der Patientenarm auf einen Blick als zu mächtig oder zu schmal identifizieren. Herstellerabhängig (mit geringen Unterschieden) werden dann für Erwachsene differente Manschettengrößen je nach Oberarmumfang (zum Beispiel Adult XL 33-48 cm oder Adult XS 16-22 cm) angeboten, die in einer guten Hausarztpraxis neben geeigneten Kindermanschetten vorgehalten werden sollten.
Bei Patientinnen und Patienten mit sehr starken Oberarmen lohnt es sich immer, mit dem Maßband nachzumessen. Häufig findet man dann heraus, dass diese Menschen einen relativ kurzen, konisch geformten Oberarm haben, bei dem eine breitere Manschette nicht passend anliegen würde.
Nicht selten haben diese Patientinnen und Patienten jedoch normal konfigurierte Handgelenke, an denen dann auch in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Europäischen Hochdruckgesellschaft der Blutdruck mit einem validierten, elektronischen Handgelenkmessgerät ermittelt werden darf.
Fazit
Prüfen Sie stets, ob sich die Standardmanschette für den Oberarm der Patientin bzw. des Patienten eignet. Neben dem Vorhalten von differenten Manschettengrößen empfiehlt sich das Aufrüsten des hausärztlichen Besuchs- oder Notfallkoffers mit einem zugelassenen und zertifizierten Handgelenkmessgerät. Zudem müssen Sie Ihre MFA/VERAH auf diese potenzielle Fehlerquelle hinweisen.
Dr. Meyer erklärt, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Theorie versus Praxis
Bestimmt stehen auch Sie täglich vor der Herausforderung, theoretische Empfehlungen mit den wahren Lebensverhältnissen ihrer Patientinnen und Patienten in Einklang bringen zu müssen. Unsere neue Serie beleuchtet häufige Schwierigkeiten und Fehlerquellen.
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