Berlin. Deutschlands Ärzte sollen ihren Patienten künftig papierlose Digitalrezepte ausstellen dürfen. So können die Mediziner auch dann Medikamente verschreiben, wenn sie lediglich per Videosprechstunde Kontakt zum Patienten hatten. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bereitet ein entsprechendes Gesetz vor, das spätestens 2020 in Kraft treten soll. Das bestätigte ein Ministeriumssprecher am Dienstag (13. November). Zuvor hatte die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” über die Pläne berichtet.
“Erst das elektronische Rezept macht Telemedizin zu einem Erfolgsprojekt”, sagte Spahn der “FAZ” und verwies auf die Vorteile der Videosprechstunden: “Die Telemedizin spart Ärzten und Patienten Zeit und Wege – vor allem auf dem Land und außerhalb der üblichen Praxisöffnungszeiten.” Deshalb will Spahn auch das bisherige Verbot aufheben, wonach Apotheken keine verschreibungspflichtigen Arzneien abgeben dürfen, wenn der Arzt den Patienten nur telemedizinisch beraten hat.
In der Praxis hat sich die Videosprechstunde bislang jedoch noch nicht bewährt – was Erfahrungsberichten zufolge an der niedrigen Vergütung und dem hohen bürokratischen Aufwand liegt. Seit April vergangenen Jahres können Ärzte bestimmter Facharztgruppen – darunter auch Hausärzte – für jede Videosprechstunde einen Technik- und Förderzuschlag von 4,21 Euro (GOP 01450) abrechnen. Dieser wird für bis zu 50 Videosprechstunden im Quartal gezahlt, auch mehrmals im Behandlungsfall. Im Quartal sind das also bis zu 210,50 Euro. Demgegenüber stehen die Kosten: Neben einer Webcam benötigen Ärzte die Zusammenarbeit mit einem zertifizierten Anbieter. Aktuell bewegen sich die Kosten für die Dienste zwischen 40 und 70 Euro pro Quartal für eine Videosprechstunden-Flatrate. Der Zuschlag soll vor allem diese Kosten für den Videodienst abdecken. Doch genau hier liegt der Knackpunkt: Denn das eigentliche Gespräch fällt unter die Grundpauschale. Aber: Eine Videosprechstunde kostet den Arzt in der aktuellen Ausgestaltung Zeit.
SPD drückt aufs Tempo
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) begrüßte das Vorhaben. Nach dem Einreichen des Papierrezepts seien schon jetzt alle weiteren Schritte digital, sagte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. “Für uns ist das E-Rezept nur die letzte digitale Meile, die noch zu überbrücken ist.” Spahns Koalitionspartner drängt sogar zur Eile: Der SPD-Gesundheitsexperte Prof. Karl Lauterbach möchte den Gesetzentwurf schon in den kommenden Wochen in den Bundestag einbringen. “Das digitale Rezept muss so schnell wie möglich kommen”, sagte Lauterbach der “Neuen Osnabrücker Zeitung”.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, bemängelte allerdings: “Digitale Rezepte sind nur ein erster Schritt für den dringend erforderlichen Digitalisierungsprozess im Gesundheitswesen.” Kordula Schulz-Asche von den Grünen beklagte das Fehlen einer Gesamtstrategie. “Wie das elektronische Rezept konkret umgesetzt werden soll, auch darüber schweigt sich Spahn aus.”
Technische Details sollen Krankenkassen, Ärzte und Apotheker selber aushandeln. Sie sollen auch eigenständig Regeln vereinbaren, damit Rezepte ausschließlich in elektronischer Form eingesetzt werden können. Einzelheiten des Projekts will Spahn auf der Digital-Klausur des Bundeskabinetts am Mittwoch und Donnerstag vorstellen.
Einsparungen vs. Nutzen für Patienten?
Kürzlich hatte die Unternehmensberatung McKinsey errechnet, dass die Einführung des Digitalrezepts zu jährlichen Einsparungen von rund 900 Millionen Euro führen könnten.
Die Stiftung Patientenschutz befürchtet allerdings Nachteile vor allem für ältere Patienten. “Viele von ihnen sind gar nicht in der Lage, mit digitalen Geräten umzugehen”, warnte Stiftungsvorstand Eugen Brysch.
Mit Material von dpa